Architektonische Schmuckstücke und Parks
Unser Rundgang startet am S-Bahnhof Oranienburger Straße (in der Tucholsky-Straße)
Gleich nach dem Verlassen des S-Bahnhofs versetzt uns Wolfgang mit anschaulichen Beschreibungen in die Zeit um 1700: Postkutsche um Postkutsche fährt im Geist an uns vorbei in den Innenhof des gegenüberliegenden Postfuhramts, wo die Pferde auf mehreren Etagen pausieren können. Beim 250. ist alles belegt und ich fühle mich wie betäubt vom Schweißgeruch und dem Wiehern der aufgeregten Tiere.
Es ist 11 Uhr und die drei Heckmann-Höfe aus dem 19. Jahrhundert liegen noch in
morgendlicher Ruhe und laden mit ihren Läden, Restaurants und einem kleinen Theater-Vorplatz zum Verweilen ein.
Während der Monbijoupark schon von weitem sichtbar ist, sucht unsere Gruppe den eher unbekannten Krausnickpark – laut unserem Stadtführer auf keinem Stadtplan zu finden. Und tatsächlich versteckt er sich hinter einer Toreinfahrt: Es empfängt uns eine kleine gepflegte Parkanlage mit Spielplatz und rundum geschmackvollen Wohnhäusern. Über die Dächer hinweg ist der Turm der Sophienkirche zu sehen und sonntags sicher auch das Glockengeläut zu hören ...
Vorbei an Chamisso und Diesterweg erinnert im Umfeld des Hackeschen Marktes heute nichts mehr an das Spandauer Tor, durch das man hier im 17. Jahrhundert vom Schlossbezirk aus in die Felder der Spandauer und Rosenthaler Vorstand spazierte.
An der Spree entlang mit Blick zur Linken auf die Alte Nationalgalerie und auf die Rückenansicht des Pergamonmuseums werden wir mit Anekdoten zum Schmuckstück Friedrichs I. erheitert: Das Lustschlösschen Monbijou ließ dieser extra für seine geliebte Gräfin von Wartenberg auf dem heutigen Parkgelände bauen.
In dem großen Dreieck zwischen Spree, Oranienburger Straße und Friedrichstraße sind in den letzten 20 Jahren die zwei größten Immobilienprojekte der Spandauer Vorstadt entstanden, die unterschiedlicher nicht sein könnten: das Forum Museumsinsel und das Tacheles.
Das Forum mit dem Ida-Simon Palais, der Residenz Monbijou, dem Gropius Ensemble, der Charité, dem Bauhaus-Riegel, dem Haupttelegraphen- und Fernsprechamt, dem Logenhaus und dem Torhaus erstaunt und überzeugt durch behutsam sanierte Architektur aus vier Jahrhunderten vom Klassizismus bis heute. Rund um den ehemaligen Packhof, der heute wie eine italienische Piazza gestaltet ist, dienen die meisten Gebäude der Wissenschaft, der IT-Kommunikation, der Unterhaltung und dem Wohnkomfort – ob nun Hotel „Telegraphenamt“, Restaurants („Dieselhaus“), Büros oder Wohnungen mit Blick auf die Museumsinsel.
Im heutigen Tacheles-Areal steht die erhaltene Ruine des Kunsthauses Tacheles mit ihren Treppenhaus-Graffiti unter Denkmalschutz. Seit 2023 nutzt die Fotografiska Berlin die Räume für Ausstellungen und Restauration.
Die völlig neu konzipierte Fußgängerpassage von der Friedrichstraße quer zur Oranienburger Straße erinnert an die 1909 eröffnete Friedrichstraßen-Passage – damals die erste Luxus-Shopping-Mall Deutschlands mit einem weltweit einmaligen Kuppelbau. Noch wirkt die Passage für Geschäfte, Büroflächen und Luxuswohnungen hinter dem Torbogen in der Friedrichstraße eher wie eine geschwungene achtstöckige Stein-Glas-Schlucht – es fehlt (noch) die Seele im Quartier.
Hier endete unsere Tour ... noch nicht; denn ein indischer Mittagstisch wartete auf uns!
Eine kleine Gruppe warf noch einen Blick ins Fotografiska und setzte sich danach zum Nachgespäch ins „Cappuccino“
Auf einem kleinen Umweg durch die Auguststraße gab noch einen Blick ins Samurai-Museum und auf den Stand der Renovierungsarbeiten an Clärchens Ballhaus, ehe das Quartett durch einen Innenhof zum S-Bahnhof gelangte.
Text und Fotos: isg + Wikipedia
PS:
In der S-Bahn kamen wir mit zwei Frauen aus Thüringen ins Gespräch. Die eine gab uns Insider-Tipps für unseren Mai-Urlaub am Rennsteig („Bad Langensalza ist am schönsten!“), die andere fuhr mit uns bis Hermsdorf, wo sie jede Woche in der Senioren-Freizeitstätte Berliner Straße ihren Rundtanz-Kurs hat, bei dem die Paare zu Schrittansagen des Tanzleiters ihre Figuren ausführen.
Ein von Anfang bis Ende erkenntnisreicher und unterhaltsamer Ausflug! (hg)