"Eine neue Kunst. Photographie und Impressionismus"

Als die Fotografie eine neue Kunst wurde

 

Handy raus und klick - vielleicht sogar klick, klick, klick ... Geht es nur der Verfasserin dieses Textes so? Bitte nicht missverstehen: Natürlich schätzt sie die Bequemlichkeit und Möglichkeiten des Fotografierens heute, ist aber auch geschockt über die anschwellende Menge ihres digitalen Fotospeichers und die dann unweigerlich folgende Notwendigkeit zu bearbeiten, zu sortieren und auszuwählen! Dabei hatte sie in den 80er Jahren mit Weitwinkel, Zoom und Winkelobjektiv hantiert und mit Freude in der Dunkelkammer von Freunden viele Schwarz-Weiß-Fotos selbst entwickelt.

 

Vielleicht berührt die aktuelle Ausstellung im Potsdamer Museum Barberini gerade deshalb: Die Fotografien sind nicht imposant – man darf sie auch nicht mit den Gemälden der Impressionisten zwei Stockwerke höher vergleichen - auch wenn am Eingang der Ausstellung Foto und Gemälde der Klippe von Ètretat nebeneinander hängen.  Man versteht beim Rundgang, was diese Fotografen des 19. Jahrhunderts mit den Impressionisten verband und was sie Neues hinzugefügt haben. Die Entwicklung der Fotografie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist ohne die industrielle Revolution und ohne die Ausbildung der modernen Wissenschaft nicht denkbar.

 

Im Vordergrund der Ausstellung steht die Emanzipation der Fotografie zu einer autonomen Kunstform. Sowohl bei der Motiv-Wahl als auch bei der Bedeutung des Lichts beeinflussten sich impressionistische Maler und Fotografen gegenseitig. Stets um ihre künstlerische Anerkennung kämpfend, überwanden die Piktorialisten die Beschränkung der Fotografie auf die reine Schwarz-Weiß-Wiedergabe und versuchten  schon früh mit grauen, braunen oder blauen Einfärbungen mit der Malerei gleichzuziehen.

 

Die breite Auswahl fotografischer Wiedergabe von Landschaften, Naturphänomenen und Stadtperspektiven wird ergänzt durch die Präsentation von Fotoapparaten und ergänzenden Geräten, von denen einige heute wie Ungetüme wirken. Anschauliche Erläuterungen zu den  physikalisch-chemischen Verfahren der Fotoaufnahme und -entwicklung am Ende des 19. Jahrhunderts geben Einblicke in die praktischen Herausforderungen und technischen Fähigkeiten der Fotografen .

 

Steigt man schließlich noch hinauf in den Olymp des Museums und tritt vor die über 100 impressionistischen Meisterwerke der Sammlung, erinnert man sich bei einigen unweigerlich an entsprechende Schwarz-Weiß-Fotografien zwei Stockwerke tiefer - aber wer würde hier auch schon vergleichen wollen? Kraft und Intensität dieser Bilder beeindrucken Betrachterinnen und Betrachter immer wieder aufs Neue.

 

Die sehenswerte Ausstellung läuft bis zum 8. Mai 2022.