Von Norwegen an die Spree: Edvard Munch. Zauber des Nordens

 Selbstportrait mit breitkrempigem Hut (1905/06)

 

„Mit der ‚Affaire Munch‘ begann 1892 in Berlin die Moderne und die internationale Karriere des Malers.“ So der einführende Wandtext in der Berlinischen Galerie, die wir zu siebt besuchten, um uns die Bilder des berühmten Norwegers anzusehen. Die Kuratorin der Ausstellung, Stefanie Heckmann, erläutert im Interview mit dem Tagesspiegel die zeitgenössischen Reaktionen: Die Besucher des Vereins Berliner Künstler in der Wilhelmstraße „hatten so etwas noch nicht gesehen, die konservativen Kollegen waren erschüttert“. Die Berliner Kunstszene war damals dominiert von Anton von Werner, der mit seinen großformatigen Historiengemälden den Kunstgeschmack des Kaisers traf und in einem „quasi photographischen Realismus“ malte. „Und dann kommt Munch und kracht da rein wie ein Meteorit!“ Wenige Tage nach der Eröffnung der Ausstellung gab es eine Abstimmung im Verein, die – wenn auch nur mit knapper Mehrheit – den umgehenden Abbau seiner 55 ausgehängten Werke erzwang. 

 

Aber Munch [gesprochen munk] blieb der Berliner Bohème verbunden, die sich in den 90er Jahren häufig in der Destille „Schwarzes Ferkel“ an der Ecke Wilhelmstraße/Unter den Linden traf. Zunächst wohnte er in einer Studentenbude, die er aber „wegen gewisser kleiner Tiere“ verlassen musste, später dann komfortabler in einer Atelier-Wohnung „mit Gas für Licht und zum Kochen“. Eine Liebesbeziehung endet tragisch mit einem Schuss in den Mittelfinger des Künstlers – die Röntgenaufnahme wird in der Ausstellung gezeigt. Munch verliert sich in Alkoholexzessen, bricht in Kopenhagen 1908 beim Whisky zusammen, unterzieht sich erfolgreich einer Ruhe- und Entgiftungskur. Ab 1909 lebt er wieder in Norwegen. Zwei Drittel seiner Werke befinden sich im Besitz der Stadt Oslo, der er sie 1940 geschenkt hat, weil er nach der Besetzung Norwegens durch die Nazis fürchtete, die könnten seine als entartet diffamierten Bilder beschlagnahmen. 

 

Der Rundgang durch die Ausstellung beginnt mit skandinavischen Fjordansichten von Themistokles von Eckenbrecher und Adelsteen Normann, dessen „Sommerabend in den Lofoten“ 1891 in Berlin ausgestellt und von Kaiser Wilhelm II. erworben wurde, der sich alljährlich mit seiner Yacht auf „Nordland-Fahrt“ begab. Es folgen Munch-Bilder der Skandal-Ausstellung von 1892 und seiner nachfolgenden Schaffenszeit. Auf den ersten Blick mag manches unverständlich scheinen, doch schnell wird deutlich, wie der Maler neue Ausdrucksmöglichkeiten für Empfindungen suchte, die den Menschen innerlich bewegen: Stadien der Liebe wie Keimen, Blühen und Vergehen, Eifersucht und Melancholie, Lebensangst und Tod, Emotionen in ihren facettenreichen Wandlungen im Laufe des menschlichen Lebens sowie ihre Auswirkungen auf die Psyche. 

 

Wiederholt erkennt der Betrachter das Gesicht der Muse des Künstlers, der norwegischen Pianistin und Dichterin Dagny Juel: „Am Morgen danach“, in den „Lebensstadien der Frau“ sowie als „Madonna“, umrahmt von Spermien und mit der Einfügung eines Embryos. Weitere Themenschwerpunkte bilden Portraits  bekannter Zeitgenossen und auch zahlreiche Druckgrafiken.

 

Viel zu sehen für anregende Gespräche beim anschließenden Imbiss im „Café Dix“ der Berlinischen Galerie ... 

 

Text: hg; Fotos: hg, gth

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